Lasst uns von vielen Dingen reden …

Ob sie bald abheben?
Du hast Sätze aneinandergereiht, hast häufig den Satzbeginn „und dann“ oder eine Variante dessen benutzt, und am Ende las sich alles wie eine Aufzählung von Ereignissen, die recht belanglos klangen.
Und dann ... wurde alles ein bisschen frivoler ... und dann ...
Du kannst im gleichen Stil erotische Geschichten schreiben. Was er getan hat, wie er es getan hat, wann sein Sperma floss und wohin … und dann schreibst du, was in der nächsten Nacht geschah, oder wann er von der vorderen Lustöffnung auf die hintere wechselte. Und jedes Mal wird die Sache ein bisschen frivoler. Und dann ... ja, das war es dann. Falls deine Geschichte zu mehr als zwei Dritteln von Sex und von kaum etwas anderem handelt, bist du gezwungen, die Geilheit, den Schmerz oder die Heftigkeit der Orgasmen von Seite zu Seite zu steigern.
Wir müssen von vielen Dingen sprechen ...
Vor einigen Tagen las ich einen Internetbeitrag, es sei nun Zeit, von etwas anderem zu sprechen, und zitierte dabei Lewis Carroll, von dem ich diese Zeilen gerne wiederholen will:
"The time has come," the Walrus said,
"To talk of many things:
Of shoes--and ships--and sealing-wax--
Of cabbages--and kings--
And why the sea is boiling hot--
And whether pigs have wings".
Sollten wir die Schweine beflügeln?
Ja, warum sollten Schweine Flügel haben? Weil sie keine haben, und es wäre deshalb auch höchst unwahrscheinlich, dass Schweine fliegen könnten. Und ich sage dazu mal: Solange du die Schweine nicht beflügelst, bleiben auf dem Boden, lesen aneinandergereihte Sätze und suhlen sich darin.
Die Geschichte vom Walross und dem Zimmermann endet im Übrigen so, dass die Ressourcen (Austern) restlos weggefressen wurden und ein paar Krokodilstränen darüber fielen.
Geht es uns nicht auch so, wenn wir im Internet die zahllosen „erotischen Geschichten“ lesen, die alle Ressourcen ausbeuten, ohne jemals etwas Neues zu produzieren? Abhaken, ein paar Tränen darüber verlieren und zur Tagesordnung übergehen? Ich meine: Nein.
Wenn wir heute über „Erotische Schriften“ oder „erotisches Schreiben“ reden, dann sind wir genau an dem Punkt: „Wir müssen über viele Dinge reden.“
Weg von den Klischees über Frauen und Männer
Zum Beispiel darüber, wie wir unsere Figuren als Frauen und Männer darstellen wollen: Frei und gleich, selbstverantwortlich und mit nahezu beliebigen Eigenschaften, Wünschen und Sehnsüchten ausgestattet, die nicht auf das Geschlecht bezogen sind? Und mit einigen wenigen Eigenschaften, die eben doch geschlechtsspezifisch sind? Und mit vielen Attributen, die einfach als „erotisch“ gewertet werden können, ohne zu fragen: An wen richtet sich denn die Botschaft? Und: Werden wir wagen, Frauen und Männer in unseren Schriften auch dann gleichzubehandeln, wenn wir sie „gleich rücksichtslos“ darstellen wollen?
Ich erfinde derzeit kein Flugschwein
Gut – vielleicht frage ich zu viel. Vielleicht sollte ich zur imaginären Feder greifen und meine Tastatur traktieren. Und vielleicht würde ich dann doch ein paar Schweine erfinden, die vom Boden abheben und sich in die lustvolleren Gefilde der erotischen Fantasien erheben würden.
Vorläufig allerdings hoffe ich darauf, dass es andere tun. Übrigens wären Austern kein schlechter Anfang … schon mancher ist vom herb-salzigen Geschmack der Schalentiere auf den Wunsch nach oralen Lüsten gekommen.
Vielleicht … ja vielleicht wärst du ja diejenige oder derjenige, die/der sich mit der geflügelten Sau so gut auskennt wie mit dem geflügelten Eber. Dann beginne möglichst bald, alles auszuschreiben, was dir dazu einfällt. Und möglichst noch zu etwas anderem.
Und schönen Dank, dass ihr bis hierher gelesen habt.
(1) Laut „The Red Kings Dream“ sollten damit übrigens der Kunsthistoriker John Ruskin und der Essayist Walter Pater karikiert werden.
Foto: © 2018 by Liebesverlag.de
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